Statt Osterfeuer: Ast- und Strauchwerk einfach liegen lassen
Tiere hauchen totem Holz Leben ein
Billerbeck
„Da fliegt schon einer ein und aus“, sagt Ruth Cramer, die vor einem großen Haufen aus Ast- und Strauchwerk steht. Sie zeigt in die Richtung, in die der kleine Vogel, schnell wie „Speedy Gonzales“, geflogen ist. „Wenn wir hier länger stehen bleiben, würden wir noch viel mehr sehen“, so die Imkerin, die sich leidenschaftlich für die Artenvielfalt einsetzt. Echtes Freiluft-Kino eben. Ja, so ein Totholzhaufen ist ein wahres Biotop und ein wichtiger Lebensraum für allerlei Käfer, Amphibien, Schnecken, Vögel und Säugetiere. Viele von ihnen sind sogar auf diesen Lebensraum angewiesen. Deswegen möchte Ruth Cramer dazu anregen, darüber nachzudenken, die Reste von Ast- und Strauchschnitten im heimischen Garten oder auf dem eigenen Gelände einfach mal liegen zu lassen und nicht für das Osterfeuer zu nutzen.
„Es geht mir aber nicht darum, Osterfeuer zu verbieten. Wenn man es machen möchte, dann sollte zumindest darauf geachtet werden, dass das Holz vorher nochmal umgeschichtet wird. Das ist Pflicht“, sagt die Imkerin, die selbst auch ein Osterfeuer macht. Aus dem ausgedienten Weihnachtsbaum und Holzscheiten. „Eine Art Lagerfeuer“, so die Vorsitzende des Imkervereins Havixbeck und Umgebung. „Das kann eine Alternative sein.“ Genau wie der Besuch eines zentralen Osterfeuers, das oft von den Kommunen veranstaltet wird. Zusätzlich appelliert sie vor allem an die Kommunen, das Totholz aus den Hecken- und Baumschnitten, die jährlich von Oktober bis März erlaubt sind und oft kurz vor Toresschluss erst durchgeführt werden, entweder direkt wegzubringen oder ganz liegen zu lassen. Und nicht, wie es laut Ruth Cramer oft passiere, irgendwann im Frühsommer wegzuschaffen. „Die Vögel brüten schon längst darin. Und auch die Kaninchen sitzen teilweise schon drin. Für die ist es ein Lebensraum geworden.“ Der werde ansonsten zerstört. Ebenso, wenn Menschen ihr Totholz nicht zwei bis drei Tage vor dem Osterfeuer umschichten. „Dann wird unter anderem schon die erste Brutphase mancher Vögel zerstört“, weiß die Expertin. Heckenbraunelle, Goldammer und Rotkehlchen fühlen sich im Totholzhaufen pudelwohl. Später Richtung Frühling und Sommer auch die Holzbiene, Blindschleichen, Käfer, Spinnen und Eidechsen.
Ruth Cramer geht es weniger um den Klimaschutz, sondern vor allem um den Artenschutz. „Wir sind einer der reichsten Flecken der Erde und können nicht mal ein paar Quadratmeter mit Holz für die Tiere lassen. Das ärgert mich“, betont sie vor allem mit Blick auf die Thematik „Schutz- und Wildnisgebiete“ und darauf, dass Deutschland die Natura-2000-Richtlinie nicht richtig umsetze.
„Natura 2000“ ist ein EU-weites Netz von Schutzgebieten zur Erhaltung gefährdeter oder typischer Lebensräume und Arten. „Deutschland tut so, als ob es am meisten mache, ist aber nicht so. Dafür gibt es jetzt Gott sei Dank strafgerichtliche Konsequenzen“, berichtet die Imkerin. Laut Naturschutzbund (Nabu) habe sich Deutschland unter anderem zum Ziel gesetzt, zwei Prozent der eigenen Fläche als Wildnisgebiete auszuweisen. Aktuell seien es etwa 0,6 Prozent. „Die Politik muss solche Wildnisflächen ausweisen – im Sinne des Artenschutzes“, findet Ruth Cramer. Ein Imkerkollege habe gefordert, dass jede Kommune einen Artenschutzbeauftragten haben sollte, „wenn man richtig in die Puschen kommen will“. Auch Totholzhaufen seien für den Artenschutz eben wichtig, so die Imkerin. „Wir sollten der Natur diese Räume belassen. Jeder Quadratmeter zählt.“
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