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Großer Andrang in der Bürgerhalle

Auf Gemeinschaftsstraßen ins Jahr 2040

Coesfeld

Viel größer hätte der Kontrast nicht sein können. Vor einem Jahr war der Prozess zum Mobilitätskonzept mit einer Hybrid-Veranstaltung ohne großes Publikumsinteresse gestartet. Zur Präsentation des Entwurfs war die Bürgerhalle voll besetzt – und das Fahrradaufkommen vor der Tür zeugte davon, dass viele Coesfelder sich schon in Sachen Verkehrswende auf den Weg gemacht haben. „Das ist ein ganz wichtiger Abend für mich und für uns“, begrüßte Bürgermeisterin Eliza Diekmann rund 300 Bürgerinnen und Bürger. „Wir haben debattiert, auch gestritten, waren uns einig und uneins.“ Nun gebe es einen Konzeptentwurf bis 2040, der aber immer wieder Manöverkritik und Anpassungen zulasse. „Machen wir es zu unserem Projekt“, rief die Bürgermeisterin auf.

Von Falko Bastos

Gut besucht war die Bürgerhalle bei der rund dreistündigen Vorstellung des Mobilitätskonzepts inklusive Fragestunde. Foto: Foto: fab

Projektkoordinatorin Sonja Rube betonte, dass sie in 30 Jahren als Stadtplanerin nie solche Zeiten erlebt habe wie jetzt. „Städte verändern sich wie vielleicht nie zuvor.“ Wegen der Klimaziele, der Klimafolgen, der Herausforderungen des Einzelhandels und der Demographie. Die Antriebswende hin zur Elektromobilität reiche nicht, denn das Flächenproblem bleibe. Schließlich brauche es auch mehr Grün und entsiegelte Flächen. „Und wo, wenn nicht auf heutigen Verkehrsflächen?“, so Rube. „Mobilitätsplanung ist keine Ideologie, wir müssen all diese Aufgaben erfüllen.“ Was die Stadt Coesfeld in Sachen Bürgerbeteiligung angeboten habe sei einzigartig. „Das Konzept, das wir heute präsentieren ist nicht unsere Erfindung, sondern Ihr Konzept“, so Rube. „Darauf können Sie alle stolz sein.“

Am Beispiel fiktiver Lebensgeschichten von Coesfelder Bürgern im Jahr 2040 stellten die Planer das Konzept vor. Da wäre die alleinerziehende Mutter, die erst ihre Kinder in die Kita bringen muss und anschließend zur Arbeit im Krankenhaus fährt. In ihrem verkehrsberuhigten Wohngebiet geht sie zu Fuß zur Mobilstation. Dort nimmt sie ein Lastenrad, auch ein Car-Sharing-Angebot steht bereit. Auf Fahrrad- und Gemeinschaftsstraßen fährt sie zur Kita und über den Fahrradring parallel zur Wallanlage zum Krankenhaus, wo sie ihr Rad überdacht abstellen kann.

Ein Rentnerehepaar aus Lette möchte mit der Bahn nach Großbritannien fahren. Zur Erneuerung ihrer Reisepässe müssen sie ins (offenbar noch nicht vollständig digitalisierte) Rathaus. Mit dem Auto fahren sie bis zur Marktgarage, wo sie als mobilitätseingeschränkte Menschen privilegiert parken dürfen. Weil der Mann noch einkaufen möchte, trennen sich ihre Wege in der Stadt. Über abgeschliffenes Kopfsteinpflaster geht es zu Fuß zur Haltestelle, wo ein bestelltes On-Demand-Shuttle wartet und die Frau zurück nach Lette bringt.

Und ein Berufspendler aus Gescher nimmt im Sommer sein Rennrad und fährt über das Radwegenetz in unter 30 Minuten nach Coesfeld. Nimmt er das Auto parkt er vergünstigt im Parkhaus an der Rekener Straße und nimmt für die letzte Meile einen E-Roller. Zur Familiengründung in Coesfeld zieht er in die vom Durchgangsverkehr befreite Wetmarstraße.

„Das ist ein rundes, ausbalanciertes Konzept, das wir zusammen erarbeitet haben“, befand Sonja Rube. Anders als die emotionale Park-Debatte teils suggeriert habe, gehe es eben nicht nur ums Parken. Stattdessen gebe es mehrere Alleinstellungsmerkmale, die sie als „Coesfelder Weg“ bezeichne, etwa eine neue Verkehrshierarchie sowie die Schaffung von Gemeinschaftsstraßen.

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