Dr. Dirk-Sven Jakob referiert zu Themen der Fußgesundheit
Auf adäquates Schuhwerk achten
Coesfeld. Unsere Füße sind täglich hohen Belastungen ausgesetzt. Im Laufe eines Lebens laufen wir im Durchschnitt halb um die Erde. Die Füße sorgen dabei für einen stabilen Stand und federn Bodenunebenheiten ab. Dafür lastet Schritt für Schritt schon im Gehen mindestens das einfache Körpergewicht auf dem Fuß, mit zunehmender Geschwindigkeit steigert es sich auf das zwei- bis fünffache Körpergewicht. Kommen zu dieser Belastung erbliche Veranlagungen zu einer Fehlstellung oder zu enge oder spitze Schuhe hinzu, können sich die Füße verformen. Der Betroffene leidet unter krummen Zehen, Hühneraugen oder schiefen Fußgelenken. Ob diese Verformung nur optisch nicht gut aussieht oder ob sie auch der Fußgesundheit schadet, klärt ein Vortrag in den Christophorus-Kliniken: „Hallux Valgus, Hammerzehe oder Krallenzehe - alles nur ein kosmetisches Problem?“ lautet die Veranstaltung am Mittwoch, (17.6.). Der Vortrag im Rahmen des Coesfelder Gesundheitsforums beginnt um 19 Uhr im Vortragsraum der Christophorus-Kliniken in Coesfeld in Haus E.
Der Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Dr. Dirk-Sven Jakob, stellt darin die verschiedenen Verformungen an den Füßen vor und berichtet über unterschiedliche Therapiemöglichkeiten.
AZ-Redaktionsmitglied Thomas Lanfer führte zu diesem Thema folgendes Interview mit Dr. Jakob.
Herr Dr. Jakob, beobachten Sie in der jüngeren Vergangenheit eine Zunahme von Verformungen an den Füßen, wenn ja, in welchen statistischen Größenordungen?
Dr. Dirk-Sven Jakob: In Prozentzahlen lässt sich dies nicht beantworten. In den letzten 10-15 Jahren ist vor allem bei jüngeren Patienten, im Jugend- und jungen Erwachsenenalter eine Häufung von Senk- und Knickfußdeformitäten zu verzeichnen. Der Grund hierfür ist im Tragen von weichen flachen Schuhen ohne vernünftiges Fußbett zu suchen. Ohne jedwede Stütze des Gewölbes und durch fehlendes Barfußlaufen kommt es in Folge eines Mindertrainings der Fußmuskulatur zu einer Atrophie derselben und zu den oben genannten Fußfehlformen. Die im höheren Erwachsenenalter auftretenden Fußfehlformen, wie der Spreizfuß und der Hallux valgus, sind in den letzten Jahren relativ konstant, da es sich hierbei um eine anlagebedingte, das heißt meist vererbbare Fußfehlform handelt. Hier spielen die äußeren Einflussfaktoren keine so wesentliche Rolle. Allerdings kann natürlich insbesondere bei Frauen das Tragen von vorne spitz zulaufenden Schuhen mit hohen Absätzen eine solche Fußfehlform verstärken.
Sind die Krankheitsbilder bei Männern und Frauen gleichmäßig verteilt oder gibt es geschlechtsspezifische Merkmale?
Dr. Dirk-Sven Jakob: Der Spreizfuß mit den damit vergesellschafteten Folgeerscheinungen wie Hallux valgus, Hammer- und Krallenzehen mit den entsprechenden Druckstellen ist bei Frauen deutlich häufiger anzutreffen. Hier spielen die oben genannten erblichen Faktoren die wesentliche Rolle. Die im Wachstumsalter und im jüngeren Erwachsenalter auftretenden Fußfehlformen wie Senk-Knickfuß oder Plattfuß ist die Geschlechtsverteilung ungefähr gleich, wobei die Ausprägung der Knick- und Plattfußform bei Männern etwas stärker zu verzeichnen ist.
Welches sind die häufigsten Krankheitsbilder?
Dr. Dirk-Sven Jakob: Bei Frauen sind eindeutig die Hallux valgus-Fehlformen als Folge des im Alter zunehmenden Spreizfußes die häufigste Fußfehlform. Bei Männern sind es dagegen eher einzelne Krallen- oder Hammerzehen oder Arthrosen im Großzehengrundgelenk, welche sehr häufig auftreten. Heutzutage weist fast jeder zweite eine zumindest leichte Senkfußform auf. Teilweise mit einer mehr oder weniger ausgeprägten Knickfußkomponente. Ausgeprägte Plattfußfehlstellungen sind Gott sei Dank sehr selten. Stärkere Senk- und Knickfußdeformitäten, welche im jungen Erwachsenalter bereits vorhanden sind, können im Laufe der Jahre zu einer Fehlbelastung der angrenzenden Gelenke, Mittelfuß- und Rückfußgelenke führen. Des Weiteren kann auch das untere und obere Sprunggelenk durch vermehrte Fehlbelastung vorzeitig verschleißen. Die Folgen sind im jungen Erwachsenalter manchmal belastungsabhängige Beschwerden oder Überlastungssyndrome der Weichteile oder Gelenke, im Verlauf der Jahrzehnte aber auch arthrotische Veränderungen der Fuß- und Sprunggelenke.
Welche langfristigen Folgen für die allgemeine Gesundheit können Verformungen der Füße haben?
Dr. Dirk-Sven Jakob: Die Folgen des anlagebedingten und sich im Laufe des Lebens entwickelnden Spreizfußes führen in der Regel etwas später zu der entsprechenden Beschwerdesymptomatik. Hier sind insbesondere Druckbeschwerden durch den Hallux valgus, Druckstellen und Hühneraugen im Bereich der Krallenzehen und zunehmende Deformierungen im Vorfußbereich zu nennen.
Welche Rolle spielt das Schuhwerk bei diesen Krankheitsbildern und worauf sollte man beim Schuhkauf achten?
Dr. Dirk-Sven Jakob: Durch das Tragen von Schuhen mit weicher und sehr dünner Sohle ohne jegliches Fußbett hat der Fuß beim Gehen und Abrollen zu wenig Halt. Die Folgen sind dann eine Überlastung der die Fußgewölbe aufspannenden Bänder sowie eine Atrophie der ständig überlasteten Muskulatur, was dann in einer Senk- und Knickfußfehlform endet. Aus diesem Grund sollte zumindest phasenweise und vor allem im Kleinkind- und Kindesalter auf adäquates Schuhwerk geachtet werden. Das heißt Schuhe mit vernünftig ausgeformter Sohle und stabilem Seitenhalt. Beim Hallux valgus und bei den anderen Folgen des Spreizfußes wird vor allem das Tragen von hochhackigen Schuhen, die zudem vorn noch eng geschnitten sind, angeführt. Dies ist sicherlich nicht als alleinige Ursache zu verstehen, kann jedoch die erblich bedingte Veranlagung des Spreizfußes begünstigen und die Entstehung der Folgeerscheinungen und der entsprechenden Beschwerden beschleunigen. Aus diesem Grund beobachtet man heute immer mehr jüngere Frauen mit den entsprechenden Fußfehlformen.
Welche konservativen und welche invasiven Therapiemöglichkeiten kennt die Medizin?
Dr. Dirk-Sven Jakob: Durch das Tragen von adäquatem Schuhwerk, wie oben ausgeführt, können die meisten Fußfehlformen vermieden werden. Des Weiteren können durch regelmäßiges Barfußgehen und zeitweises Vorfußgehen komplexe krankengymnastische Übungsbehandlungen und eine Einlagenversorgung vermieden werden. Durch diese prophylaktischen Maßnahmen werden die Fußmuskulatur und die Gewölbebildung im Fußbereich gefördert. Dies beginnt bereits beim Kleinkind und sollte bis zum ausgewachsen Fuß durchgeführt werden. Später können propriozeptive oder stützende Einlagen die Progredienz der Fußfehlform nur unwesentlich beeinflussen, jedoch die Beschwerdesymptomatik zeitweise lindern. Beim Spreizfuß mit den Folgeerscheinungen Hallux valgus und den Krallenzehen gibt es in der Regel keine vorbeugenden Maßnahmen. Hier kommen meist stützende Einlagen, Zehenpolsterungen oder auch Hallux valgus-Schienen zum Einsatz. Diese Fußfehlformen müssen im weiteren Verlauf meist operativ korrigiert werden. Hier gibt es zahlreiche Operationsmöglichkeiten, die je nach Lebensalter der Patienten und Ausprägungsgrad der Fehlstellung zum Einsatz kommen. Hierzu wird im Vortrag besonders Stellung genommen.
Startseite