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Dr. Claudia Fischäß-Pfeiffer referiert zum Thema Belastungsinkontinenz

„Eine Vielzahl von Therapiemethoden

Coesfeld. Das Thema Inkontinenz ist ein Tabuthema. Das Unvermögen, die Abgabe von Harn und/oder Stuhl zu kontrollieren wird verdrängt und verschwiegen. Mit dem demografischen Wandel wandert das allgemeine Krankheitsbild Inkontinenz verstärkt in den Bereich des Alterns, kann es doch auch Folge von Immobilität, funktionalen Einschränkungen und altersbedingter Demenz sein. Neben der durch Krankheiten, Unfälle, medizinische Eingriffe oder Medikamente verursachten Inkontinenz ist die so genannte Belastungsinkontinenz auch schon bei jüngeren Frauen weit verbreitet. Am Mittwoch (15.4.) bieten die Christophorus-Kliniken im Rahmen des Gesundheitsforums Coesfeld einen Vortrag zu dieser Form von Inkontinenz an, der von der leitenden Oberärztin der Frauenklinik Dr. Claudia Fischäß-Pfeiffer zusammen mit der spezialisierten Physiotherapeutin, Angelika Feldmann, gehalten wird. Hierzu führte AZ-Redaktionsmitglied Thomas Lanfer folgendes Interview mit Frau Dr. Fischäß-Pfeiffer.

Allgemeine Zeitung

Frau Dr. Fischäß-Pfeiffer, wie viele Menschen leiden in Deutschland unter Inkontinenz und wie groß ist der Anteil der so genannten Belastungsinkontinenz?

Dr. Fischäß-Pfeiffer: In Deutschland leiden mehr als 8 Millionen Menschen an Harninkontinenz. Die Dunkelziffer ist hoch. Bei den über 65-jährigen geht man von mehr als 15 Prozent der Bevölkerung aus. Belastungsinkontinenz betrifft vor allem Frauen. Man unterscheidet hauptsächlich Belastungsinkontinenz, Dranginkontinenz und Mischformen aus beidem. Die Hälfte der Frauen leidet unter einer reinen Belastungsinkontinenz, ein Drittel unter der sogenannten Mischinkontinenz, also Drang- und Belastungsinkontinenz zusammen, und ein Sechstel hat eine reine Dranginkontinenz.

Was genau ist eigentlich Belastungsinkontinenz und wann tritt sie vornehmlich auf?

Dr. Fischäß-Pfeiffer: Belastungsinkontinenz bedeutet unwillkürlichen Urinverlust bei plötzlicher Belastung des Blasenverschlusses, so dass ungewollt Urin z.B. beim Husten, Lachen, Nießen, Springen, Sport und Heben verloren geht.

Gibt es Unterschiede in der Häufigkeit von Harn- und Stuhlinkontinenz sowie geschlechtsspezifische Unterschiede?

Dr. Fischäß-Pfeiffer: Harninkontinenz ist mit knapp 20 Prozent bei Frauen (alle Altersgruppen) und neun Prozent bei Männern wesentlich häufiger als Stuhlinkontinenz, die auf etwa drei Prozent Betroffene in der Gesamtbevölkerung geschätzt wird. Frauen sind dabei ebenfalls etwas häufiger betroffen als Männer. In Pflegeheimen und ähnlichen Einrichtungen sind mehr als die Hälfte der Bewohner von Inkontinenz betroffen.

Welche Ursachen kennt die Medizin für die Belastungsinkontinenz?

Dr. Fischäß-Pfeiffer: Die Beckenbodenfunktion, zu der schließlich auch die Kontinenzleistung zählt, also die Fähigkeit, Harn oder Stuhl einzuhalten, kann durch viele Faktoren geschwächt werden. Bei Frauen sind es Folgen von Schwangerschaft und Geburt, Alterungsprozesse des Bindegewebes, hormonelle Veränderungen und andauernde körperliche Belastungen wie schweres Heben oder chronischer Husten. Die Schießmuskelkraft nimmt bei beiden Geschlechtern mit zunehmendem Alter allmählich ab.Die anderen Inkontinenzformen, wie die Dranginkontinenz, können vielschichtige andere Ursachen haben, die auch teilweise außerhalb des unteren Harntrakts oder des Beckenbodens zu suchen sind.

Welche Therapieansätze gibt es?

Dr. Fischäß-Pfeiffer: Das richtet sich nach der Form der Inkontinenz und deren Ursache. Es gibt eine Vielzahl konservativer und invasiver Therapiemethoden. Dabei sollten auch die jeweilige Lebenssituation und die Bedürfnisse und Wünsche der betroffenen Frau besonders berücksichtigt werden.

Wie hoch sind die Erfolgsquoten z.B. von Beckenbodentraining und gibt es medikamentöse Lösungen für Inkontinenzprobleme?

Dr. Fischäß-Pfeiffer: Beckenbodentraining hilft bei etwa der Hälfte der von Belastungsinkontinenz betroffenen Frauen gut. Ist die Inkontinenz allerdings stärker ausgeprägt, kommt man damit allein oft nicht aus.Bei der Dranginkontinenz zum Beispiel gibt es zahlreiche medikamentöse Therapieansätze, wobei die dazugehörige Diagnostik und die Wahl des Medikaments durch damit erfahrene Ärzte erfolgen sollte. Manchmal spielen aber auch eine bereits bestehende Tabletteneinnahme z.B. internistischer oder neurologischer Medikamente oder die Grunderkrankung selbst eine gewisse Rolle.

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