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Zwei Experten referieren morgen beim Gesundheitsforum in der VHS über „Die kranke Leber“

Medikamentös bedingte Leberschäden auf Platz 1

Coesfeld. Am Mittwoch (18. 3.) um 19 Uhr findet der nächste kostenfreie Vortrag im Rahmen des „Gesundheitsforums Coesfeld“ in der VHS im WBK Forum statt. Das Thema lautet „Die kranke Leber“. Referenten an diesem Abend sind Dr. Ralf Ulrich Steimann, Facharzt für Innere Medizin, Chefarzt der Medizinischen Klinik 1 der Christophorus-Kliniken und Dr. Stephan Barrmeyer, Apotheker und Inhaber der Laurentius-Apotheke Coesfeld. Unbehandelt führen viele Lebererkrankungen zu einer Leberzirrhose oder zu Leberkrebs. Lebererkrankungen werden häufig erst spät (zu spät) erkannt. Daher müssen auch leichte Erhöhungen der sogenannten Leberblutwerte ernst genommen werden. In dem Vortrag wird über die zahlreichen Ursachen von Lebererkrankungen, deren Diagnose und die heutzutage zum großen Teil sehr erfolgreichen Behandlungsmethoden berichtet. Vorab sprach unser Redakteur Hans-Jürgen Barisch mit den Referenten.

Allgemeine Zeitung

Wenn die Leber kein Schmerzempfinden hat und keine Warnzeichen aussendet, woran kann ich erkennen, dass ich einen Arzt aufsuchen sollte?

Dr. Steimann: Die Leber hat ein enormes Regenerations - und Kompensationsvermögen, so dass Lebererkrankungen teilweise schon weit fortgeschritten sind, bevor klinische Beschwerden auftreten. Häufig klagen die Patienten über Müdigkeit, eine allgemeine Leistungsminderung sowie einen unspezifischen Druck im rechten Oberbauch. Weitere Zeichen, die auf eine Lebererkankung hindeuten, sind ein chronischer Juckreiz, eine Gelbfärbung von Haut und Augen, ein heller, lehmfarbener Stuhl und eine dunkelbraune Urinverfärbung. In späteren Stadien der Lebererkankung finden sich dann eine Bauchschwellung durch Bauchwasser (Ascites), eine Brustvergrößerung beim Mann, rote Handinnenflächen und kirschrote Hautflecken sowie zunehmende Konzentrations - und Gedächtnisstörungen.

Welche Krankheiten der Leber werden am häufigsten diagnostiziert?

Dr. Steimann: Die häufigste Lebererkrankung in Deutschland ist die Fettleber, die meistens durch Übergewicht, Zuckerkrankheit, Fettstoffwechselstörung und/oder übermäßigen Alkoholkonsum entsteht. Alkoholbedingte Leberschädigungen werden aber nicht Gegenstand des Vortrags sein, sondern die wichtigen anderen Ursachen werden besprochen:

Es sind zum einen akute und chronische Lebererkrankungen durch Infektionen wie z.B. Virusinfektionen. In Deutschland leben schätzungsweise 800000 Menschen mit einer chronischen Virus-Hepatitis B- oder C-Infektion. Auch Infektionen durch Bakterien oder „Reisemitbringsel“ in Form von Infektionen mit Parasiten wie Malaria oder Amöben können zu akuten Lebererkrankungen führen.

Es folgen toxische Lebererkrankungen verursacht durch zahlreiche, auch frei verkäufliche Medikamente wie Paracetamol, Umweltgifte und Pilzvergiftungen.

Darüberhinaus gibt es unter anderem schon bei sehr jungen Menschen zahlreiche Autoimmunerkrankungen der Leber und genetisch bedingte Lebererkrankungen wie die Eisenspeicher - und Kupferspeicherkrankheit. In Deutschland leben beispielsweise immerhin etwa 200 000 Menschen mit einer oftmals nicht diagnostizierten Eisenspeichererkrankung, die unbehandelt zu Leberzirrhose und Leberkrebs führen kann.

Wie sieht eine Leberuntersuchung aus? Muss man dafür auch unter das berühmte Messer?

Dr. Steimann: Das Messer kommt bei Lebererkrankungen eigentlich nur bei Leberkrebserkrankungen und bei der Lebertransplantation zum Einsatz.

Die Untersuchung auf eine Lebererkrankung erfolgt zum einen durch eine körperliche Untersuchung gefolgt von einer Blutuntersuchung der sogenannten Leberwerte und eine Ultraschalluntersuchung der Leber. Nur noch selten benötigen wir zur Diagnosestellung einer Lebererkrankung die Gewinnung einer Lebergewebsprobe durch eine ultraschallgesteuerte Punktion der Leber in örtlicher Betäubung.

Wenn die so genannten Leberwerte ermittelt werden, was genau verbirgt sich dahinter? Was bedeuten (zu) hohe Werte?

Dr. Steimann: Anhand einer einfachen Blutentnahme aus einer Armvene können wir bestimmte Laborwerte (z.B. GPT, GOT, Gamma-GT, Bilirubin, AP) bestimmen, die bei Lebererkrankungen typischerweise und in unterschiedlicher Ausprägung erhöht sind. Diese Werte sind nicht zu 100 Prozent spezifisch für Lebererkrankungen. Eine Erhöhung der GPT findet sich auch bei Freisetzung aus der Muskulatur nach sportlicher Aktivität, eine Erhöhung der AP auch in der Schwangerschaft oder bei Knochenerkrankungen.

In vielen Fällen sind leicht erhöhte Leberwerte nicht weiter schlimm. Es ist allerdings vorher genau zu prüfen, was mit „erhöhten Leberwerten“ genau gemeint ist. Ist nämlich nur die Gamma-GT erhöht, hat dies häufig keine große Bedeutung für die Leber. Spezifischer für einen wirklichen Leberschaden ist die GPT (auch ALT genannt). Somit ist es ratsam, bei allen Patienten mit mehrfach erhöhten Leberwerten behandlungsbedürftige oder überwachungsbedürftige Lebererkrankungen auszuschließen. Die Höhe der Leberwerte korreliert dabei bei vielen Lebererkrankungen überhaupt nicht mit der Schwere der Lebererkrankung. Hierzu sind dann weiterführenden spezielle Blutuntersuchungen bis hin zu Gentests, Ultraschall und gegebenenfalls eine Lebergewebsprobe erforderlich. Dies erfolgt in der Regel durch den Hausarzt in Zusammenarbeit mit Gastroenterologen, die sich auf die Behandlung von Lebererkrankungen spezialisiert haben, sogenannte Hepatologen.

Gibt es nicht verschreibungspflichtige Medikamente oder Naturheilstoffe, die die Leber belasten oder gar schädigen?

Dr. Barrmeyer: Eine Vielzahl von Medikamenten wird vornehmlich von der Leber verstoffwechselt und abgebaut. Dies gilt auch für frei verkäufliche Medikamente wie zum Beispiel Paracetamol oder Diclofenac und Ibuprofen.

Die leberschädigende Wirkung entfalten Medikamente, Gewerbe - und Naturgiftstoffe entweder direkt oder indirekt erst nach Verstoffwechslung mit Entstehung giftiger Abbauprodukte. Darüberhinaus können allergisch-immunologische Reaktionen zu Leberentzündungen führen, die unabhängig von der Menge des eingenommenen Medikaments sind.

Direkt lebertoxisch wirken z.B. Paracetamol, Tetraycline und Methotrexat.

Die häufige, gar tägliche Einnahme von Paracetamol in Eigenmedikation und größeren Mengen kann somit gefährlich werden.

Bei Diclofenac hingegen steht die allergisch-immunologische Entzündungsreaktion in der Leber im Vordergrund, so dass auch geringe Mengen zu einer Leberschädigung führen können. Am häufigsten sehen wir in der Lebersprechstunde medikamentös bedingte Leberschädigungen nach Einnahme von Allopurinol (Gichtmittel), Cholesterinsenkern wie Simvastatin, Schmerzmitteln wie Paracetamol, Diclofenac und Ibuprofen sowie Antibiotikaeinnahmen mit zum Beispiel Amoxicillin. Eine Fülle von Naturstoffen und Umweltgiften kommt ebenfalls als Ursache von Leberschädigungen in Betracht. Neben dem Knollenblätterpilz sind Aflatoxine aus Schimmelpilze sowie verschiedene Kräuter (Schöllkraut, Bärlapp, Helmkraut, Maulbeerbaum, etc.) unter Umständen leberschädigend. Auch die Einnahme von selbstverordeneten Vitaminpräparaten kann zu Leberschädigungen durch Vitamin-A-Überdosierungen führen.

Worauf muss man bei Dauereinnahme von Medikamenten achten?

Dr. Barrmeyer: Für fast jedes Medikament steht im Beipackzettel, dass die Leber geschädigt werden kann. Allerdings ist dies selten und der Nutzen durch das Medikament überwiegt meist bei weitem das geringe Risiko, einen Leberschaden zu erleiden. Auch nach mehrjähriger Einnahme von Medikamenten können noch Leberschäden auftreten. Wer dauerhaft Medikamente einnehmen muss, sollte mindestens einmal im Jahr die Leberwerte checken lassen. Bei Medikamenten, die bekanntermaßen für die Leber problematisch sein können wie z.B. Allopurinol (Gichtmittel), Carbimazol (Schilddrüsenblocker), Methotrexat (Rheumamittel) auch häufiger. Wer bereits eine vorbestehende Lebererkrankung hat, sollte jedes neue Medikament, auch freiverkäufliche oder Naturheilstoffe unbedingt vorher- wie es so nett in Werbung heißt- mit seinem Hausarzt oder Apotheker absprechen. Die schädliche Dosis von Paracetamol liegt bei einer vorbestehenden Lebererkrankung viel niedriger als die sonst übliche Tagesdosis.

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