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Prof. Dr. Meinhard Schiller und Dr. med. Dirk Pappai referieren zum Thema Allergien in der FBS

Muttermilch ist der optimale Schutz

Coesfeld. Das „Gesundheitsforum Coesfeld“ lädt am Mittwoch (20. 5.) ab 19 Uhr zu einem Vortrag zum Thema Allergien ein. Prof. Dr. Meinhard Schiller und Dr. med. Dirk Pappai (Fachärzte für Hautkrankheiten, Allergologie) referieren in der Familienbildungsstätte über die häufigsten Allergien im Kindes- und Erwachsenenalter. Neurodermitis, allergisches Asthma, Hausstaubmilbenallergie, Heuschnupfen, Schuppenflechte, Rosacea und anderes werden Thema sein. Dabei geht es auch um individuelle Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten. Die Veranstaltung ist kostenfrei. Unser Redakteur Hans-Jürgen Barisch sprach vorab mit den beiden Referenten.

Allgemeine Zeitung

Sind Allergien derzeit auf dem Vormarsch?

Prof. Dr. Schiller: Der schon seit Jahren beobachtete Trend bei der Zunahme von Allergien scheint ungebrochen. Besonders bei Kindern gibt die Situation Anlass zu Besorgnis. So geht man heute davon aus, dass bis zu 20 Prozent der Kinder an allergischem Schnupfen, rund 19 Prozent an Neurodermitis und bis zu sieben Prozent an allergischem Asthma leiden. (Die Zahlen variieren abhängig von Wohnort, Umwelteinflüssen und Alter der Kinder.) Da man bislang immer noch zu wenig über die genaue Entstehung von Allergien weiß, lassen sich auch die Ursachen des dramatischen Anstiegs der Krankheitsfälle nicht zufriedenstellend erklären. Als wichtigste Faktoren spielen eine genetische Veranlagung und der frühe Kontakt mit möglichen allergieauslösenden Stoffen eine Rolle.

Was ist mit der Aussage gemeint, dass die beste Vorbeugung gegen Allergien uns von der Natur mit den Schoß gelegt wurde?

Prof. Dr. Schiller: Die stetige Zunahme allergischer Erkrankungen in den westlichen Industrienationen hat es erforderlich gemacht, gezielte Vorbeuge (Präventions) -maßnahmen zu entwickeln. Auf der Grundlage zahlreicher wissenschaftlicher Studien werden mittlerweile konkrete Empfehlungen zur Vorbeugung von Allergien bei Säuglingen durch eine richtige Ernährung ausgesprochen. Es gibt allerdings keine Hinweise dafür, dass eine allergenarme Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft und Stillzeit einen Allergie vorbeugenden Effekt für den Säugling hat. Verschiedene Studien bestätigen jedoch ganz klar, dass Muttermilch sowohl aus ernährungsphysiologischer Sicht als auch für die Vorbeugung von allergischen Erkrankungen die ideale Ernährung in den ersten Lebensmonaten ist. Sie ist das einzige Nahrungsmittel, das körpereigenes Eiweiß enthält, gegen das keine Allergie entwickelt werden kann. Der frühe Kontakt des Kindes mit nur minimalsten Mengen an Allergenen aus der Ernährung der Mutter ist ein natürlicher Vorgang, der im Laufe der Stillperiode dazu führt, dass sich das Immunsystem des Kindes langsam an fremde Eiweiße gewöhnt und diese zu tolerieren lernt. Zusätzlich enthält die Muttermilch bestimmte Immunfaktoren, die den Aufbau des kindlichen Immunsystems unterstützen. Damit gilt Muttermilch als der optimale Schutz vor Krankheiten und Allergien. Konkret wird geraten, dass Säuglinge - wenn möglich - in den ersten vier bis sechs Monaten ausschließlich zu stillen. Dies gilt insbesondere für Kinder, die aus einer Familie mit erhöhtem Allergierisiko stammen.

Woran erkennt man eine allergische Reaktion des Körpers?

Dr. Pappai: Die häufigste Allergieform sind so genannte Sofort-Typ-Allergien, bei der der Körper Antikörper bildet gegen Pollenantigene (Frühblüher, Baum-/Gräserpollen), Insektengifte, Milbenvarianten, Tierepithelien oder Schimmelpilze. Hierbei kommt es zu den klassischen Symptomen wie Augentränen, Fliesschnupfen, einer vor allem morgendlich verstopften Nase und Reizungen der Mund- und Rachenschleimhaut. Bei chronischem Verlauf muss ein Etagenwechsel mit Entwicklung eines allergischen Asthmas befürchtet werden. Häufig bestehen auch Kreuzallergien gegen Nahrungsmittel, die von Nahrungsmittelunverträglichkeiten abgegrenzt werden müssen. Maximale Verläufe können auch zur Übelkeit, Mitbeteiligung des Magen-Darmtraktes und einer Beeinträchtigung der Herz-Kreislaufsystems führen. Von diesen Allergieformen müssen Medikamenten- und Kontaktallergien abgegrenzt werden, die sich insbesondere durch Hautausschläge und Ekzeme äußern.

Wann wird es Zeit, einen Arzt aufzusuchen?

Dr. Pappai: Pollenallergiker erfahren bei geringen Beschwerden durch rezeptfrei erhältliche Antiallergica eine Linderung. Halten die Beschwerden trotzdem an, ist eine störende Beeinträchtigung des Alltags mit Reduktion der Leistungsfähigkeit gegeben oder entwickelt sich eine Mitbeteiligung der Bronchien, ist ein Arzt aufzusuchen. Nach einem Insektenstich mit Allgemeinsymtomatik sollte in jedem Fall ein Arzt konsultiert werden. Mit einfachen und schmerzfreien Testmethoden lassen sich dann Allergien durch Testungen an der Haut, im Blut oder über Provokationstests nachweisen.

Wie kann man Allergien behandeln?

Dr. Pappai: Bei der Therapie unterscheidet man eine symptomorientierte von einer spezifischen Therapie. Durch zahlreiche Medikamente läßt sich zum einen die Freisetzung von Histamin und zahlreicher entzündlich wirkende Botenstoffe verhindern. Andererseits kann eine direkte antientzündliche Wirkung durch den Einsatz inhalativer Kortikosteroide bewirkt werden. Auch Akupunktur verspricht in zahlreichen Fällen Symptomlinderung.

Die einzige kausale Therapie ist jedoch die allergenspezifische Immuntherapie, die entweder als Tropfen-, Tabletten-oder Spritzenbehandlung erfolgen kann.

Hilft die berühmte Sensibilisierung wirklich?

Dr. Pappai: Die allergenspezifische Immuntherapie (SIT) stellt momentan die einzige krankheitsmodifizierende Behandlungsmethode dar, die neben der Entwicklung einer Toleranz gegenüber den Aeroallergenen auch eine relativ schnell einsetzende Symptomlinderung verspricht. Diese Therapie erfolgt in der Regel über einen Zeitraum von ca. 3 Jahren (Insektengifte: 5 Jahre) entweder ganzjährig oder präsaisonal. Die Erfolgsquoten sind beeindruckend: Biene-/Wespengiftallergie (95%), Pollenallergie (80-90%), Milbenallergie (70-80%) sowie Schimmelpilzallergien (60-70%).

Warum quält eine schwere Schuppenflechte betroffene Patienten gleich mehrfach?

Prof. Dr. Schiller

In der Tat kann dieses sich durch Rötungen und Schuppung auszeichnende Leiden die Haut entstellen und damit auch die Psyche belasten. Menschen mit Hautkrankheiten werden oft ausgegrenzt, nicht zuletzt, weil die Hautschuppen oft fälschlicherweise mit mangelnder Pflege in Verbindung gebracht werden, oder aus Angst vor Ansteckung. Dabei ist Psoriasis keine Infektionskrankheit und keinesfalls übertragbar. Leider hat man aber in jüngsten Studien herausgefunden, dass Patienten mit einer schweren Psoriasis (Schuppenflechte) zusätzlich ein erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt haben. Weiterhin können die ständigen Entzündungsreaktionen - wenn auch selten - auch auf die Gelenke übergreifen.

Stimmt es, dass man von einer Revolution in der Therapie der Psoriasis sprechen kann?

Prof. Dr. Schiller: Rund zwei Millionen Menschen in Deutschland sind an Psoriasis erkrankt. Bis heute gilt die in Schüben lebenslang auftretende Schuppenflechte als nicht heilbar. Die Symptome lassen sich jedoch gut lindern, und man kann versuchen, weiteren Krankheitsschüben vorzubeugen. Neue Medikamentengruppen, wie die sogenannten Biologika, greifen direkt in den Entzündungsmechanismus ein. Diese synthetisch hergestellten den menschlichen Antikörpern ähnelnden Moleküle haben die Psoriasis-Therapie revolutioniert. Ihre hohe Wirksamkeit, verbunden mit einem relativ niedrigen Risiko von Nebenwirkungen können den Leidensdruck enorm reduzieren und viele Patienten für längere Zeit fast erscheinungsfrei halten.

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