Begehung mit Forstwirt Sebastian Meyer
Der Wald in Rosendahl hat Fieber
Rosendahl
„An diesem Baum“, sagt Sebastian Meyer und zeigt auf eine hohe Buche, „kann man die Schäden gut erkennen.“ Über den weichen Waldboden schreitet der Forstwirt einige Meter voran und nähert sich der Buche, die er ins Auge gefasst hat. Er deutet auf die Krone, die nur zum Teil Knospen gebildet hat. „Im oberen Drittel der Krone hat der Baum gar keine feinen Äste und Knospen ausgebildet“, so sein Fazit nach einem prüfenden Blick. „Das sind die Folgen von jahrelangem Trockenstress und Hitzesommern“, zuckt Meyer mit den Schultern. Diese Buche ist in dem Waldstück zwischen Osterwick und Billerbeck nicht der einzige Baum, an dem Spuren der vergangenen Wetterkapriolen zu sehen sind. „Dem Wald geht es nicht gut“, fasst Meyer knapp zusammen.
Sein Blick schweift durch den Wald. Selbst Laien können zwischen den augenscheinlich vitalen Bäumen Totholz erkennen: Wie ein Gerippe ragt ein Stamm mit einigen wenigen Ästen in den Himmel. „Dieses Totholz lassen wir in der Regel stehen, um die Biodiversität zu fördern“, sagt der Forstwirt. Nicht nur Spechte, auch jede Menge Insekten und weitere Höhlenbrüter finden in einem toten Baum Unterschlupf. Der Buche, unter der Meyer gerade steht, wird vermutlich gleiches blühen: „Über kurz oder lang wird auch dieser Baum sterben.“
Er erklärt, dass in vier Schadstufen unterschieden wird – beginnend mit Schadstufe 0, bei der die Krone etwas lichter wird und der Baum kleinere Blätter bildet. „Das ist eine Schutzfunktion des Baumes. So verdunstet in heißen Sommern weniger Wasser“, weiß der Forstwirt. Das sei ein erstes Indiz dafür, dass der Baum mit dem Klima zu kämpfen hat. Je größer die Verlichtung der Kronen ist, desto höher ist die Schadstufe. „Bei Stufe 4 reden wir von einer deutlichen Kronenverlichtung von über 25 Prozent“, so Meyer. Dann ist der Tod des Baumes nicht mehr weit – so wie bei der großen Buche. „In den vergangenen Jahren hat sich das leider massiv gehäuft“, sagt Meyer. Er vermutet, dass nach dem trockenen Sommer in 2022 noch einiges an Schadbild hinzukommen wird.
Das lang ersehnte Nass kam dann im Winter. Und auch in den vergangenen Tagen regnete es teils heftig. Nach Auskunft des Deutschen Wetterdienstes ist im März sogar mehr Regen als im langjährigen Mittel gefallen. Reicht das? „Der Zustand des Grundwassers hat sich erholt“, merkt Meyer an. In den Gräben und Löchern steht das Wasser. „Das zeigt, dass sich etwas getan hat.“ Vor allem aber ältere Bäume haben in den vergangenen Jahren die Wurzeln tiefer geschlagen, um an Wasser zu gelangen. „Sie bekommen von den oberen, feuchten Bodenschichten nichts mit“, erklärt Meyer. Jüngere Bäume hingegen schon – sie haben flachere Wurzeln und seien grundsätzlich anpassungsfähiger.
Anpassung – das ist ein Stichwort, das Förster und Forstwirte immer stärker umtreibt. Meyer spricht von „Waldumbau 2.0“, das für die nächsten 100 Jahre zutreffe. Um den Wald zukunftssicher aufzuforsten, wird neben heimischen Arten wie Buche und Eiche vermehrt auf „Fremdlinge“, die hitze- und trockenresistenter sind, gesetzt. „Vor zwei Wochen haben wir Douglasien und Weißtannen über 2500 Quadratmeter gesetzt“, sagt Meyer und deutet auf eine lichte Fläche. „Hier haben wir quasi den Wald der Zukunft begründet.“ Mischkultur sei das Zauberwort. Dadurch werden Wälder weniger anfällig für Krankheiten. „Wir können aber nur im Hier und Jetzt reagieren. Forstwirtschaft ist ein Geschäft über Generationen.“
Am Ende der Waldbegehung, auf dem Rückweg zur Lichtung, zieht ein starker Regenschauer auf. Mitten im Frühling würden sicherlich viele bei 20 Grad im Garten sitzen und die Sonne genießen wollen. „Ich freue mich über den Regen“, sagt Meyer, während er über die weiten Felder schaut und die Wassertropfen beobachtet.
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