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Interview mit Pflege-Botschafterin Meike Ista 

Die Krankenschwester von Joko und Klaas

Münster

Sie hatte ja keine Ahnung. Krankenschwester Meike Ista hat sich für eine Schicht eine Kamera vor die Brust gehängt. Einen Film wie den, der dabei für Pro Sieben entstand, hat es so noch nicht gegeben. Die 29-Jährige würde es trotzdem wieder machen. Oder gerade deswegen.

Von Stefan Werding

Meike Ista: „Aber für die Sache würde ich es auf jeden Fall wieder machen.“ Foto: Jürgen Christ

Der sieben Stunden lange Film über ihre Frühschicht in der Uniklinik Münster wurde als ein Stück Fernsehgeschichte gefeiert. Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf hatten den Film mit der münsterischen Krankenschwester Meike Ista gesendet. Dafür hatte die 29-Jährige mit einer Kamera vor der Brust ihre komplette Frühschicht dokumentiert. Im Gespräch mit unserem Redaktionsmitglied Stefan Werding berichtet die 29-Jährige, wie es jetzt weitergehen soll.

Es gibt Frauen in Ihrem Alter, die lassen sich zur Spargel- oder Erdbeerkönigin küren. Sie sind zur „Botschafterin der Pflege NRW“ ernannt worden. Warum haben Sie den Titel angenommen?

Meike Ista: Mir ist es wichtig, dass wir Pflegenden unsere Interessen besser vertreten – und sehr viel lauter. Jemand anderes wird außerdem gerade nicht gefragt. Darum mache ich das.

Haben Sie sich vor den Filmaufnahmen vorstellen können, was auf Sie zukommt?

Ista: Nein. Ich glaube, dass ich da ein bisschen blauäugig war. Irgendwie dachte ich: So weite Kreise wird es schon nicht ziehen.

Hatten Sie nach der Sendung eigentlich mal Kontakt mit Joko Winterscheid und Klaas Heufer-Umlauf?

Ista: Ja, den hatte ich. Sie haben mich am Tag nach der Ausstrahlung angerufen. Da habe ich aber so viele Anrufe bekommen von Nummern, die ich nicht kannte, dass ich nicht drangegangen bin. Das war ein bisschen ärgerlich. Aber wir haben nachher noch ein wenig Kontakt gehabt.

Den ersten Anruf von Joko Winterscheid und Klaas Heufer-Umlauf hat Meike Ista verpasst. Foto: dpa

Würden Sie das alles noch mal machen?

Ista: Aber ja doch. Dieser Aufschrei hat sich sehr gelohnt. Ich bin eigentlich nicht der Typ, der gerne im Mittelpunkt steht. Daran habe ich mich immer noch nicht gewöhnt. Aber für die Sache würde ich es auf jeden Fall wieder machen. Ich habe das Gefühl, dass wir durch diesen Dreh unheimlich vielen Leuten die Augen geöffnet haben, die keine Berührungspunkte mit der Krankenpflege haben. Wir konnten zeigen, was Pflege wirklich ist. Das ist schon ein großartiger Erfolg.

Was haben denn die Leute nicht verstanden von Ihrem Beruf?

Ista: Viele denken immer noch, dass Ärzte mir sagen, was ich zu tun habe. Dass ich eigentlich nur ihr verlängerter Arm bin. Sie sehen gar nicht, wie viel Eigenverantwortung der Beruf mit sich bringt, dass es um viel mehr Aufgaben geht als um die grundpflegerische Versorgung der Patienten.

Ist das das, was Sie an dem Beruf so reizt?

Ista: Ja. Ich finde es supertoll, eigenverantwortlich und gemeinsam mit anderen arbeiten zu können. Was meiner Einschätzung nach eben auch wertvoll ist.

Sie haben nicht nur positive Reaktion geerntet. Eine Kollegin von Ihnen hat mir erzählt, dass Ihre Station gut in Schuss ist, während auf Ebenen in den Kliniktürmen gibt, auf denen der Putz von den Wänden blättert. Können Sie bestätigen, dass es auf anderen Stationen und in anderen Krankenhäusern deutlich schlechtere Bedingungen gibt?

Ista: Das ist garantiert so. Durch die Versorgung unserer besonderen Patienten ist der Stellenschlüssel verhältnismäßig gut. Mir ist bewusst, dass es auf anderen Stationen ganz anders aussieht. Und der Druck auf meine Kolleginnen und Kollegen noch deutlich größer ist.

Haben Sie denn von Kolleginnen und Kollegen auch kritische Worte zu hören bekommen?

Ista: Die gab es, aber wirklich nur ein oder zwei Leute, von denen ich so etwas gehört habe. Das ist so schade. Unsere Station stand stellvertretend für uns alle -- egal, ob wir Pflegekräfte auf der Intensivstation oder im Altenheim sind. Es ist so schade, dass es da Leute gibt, die nicht verstanden haben, dass wir die Chance alle gemeinsam nutzen müssen.

Haben Sie die Wirkung erzielt, die Sie sich gewünscht haben? Was glauben Sie, welche Bedeutung dieser Film in der Debatte um den Stellenwert der Pflege hatte?

Ista: Ich glaube, das war ein kleiner Schritt von vielen, um deutlich zu machen, wie die Situation wirklich ist. Es war wichtig zu zeigen, was wir leisten, wo die Probleme sind und gleichzeitig ein Bild zu vermitteln, warum wir den Beruf gewählt haben und warum wir ihn eigentlich auch sehr gerne machen.

Ich habe vor ein paar Wochen eine Ihrer Kolleginnen interviewt, die seit 45 Jahren Krankenschwester ist. Sie sagt: „Solange ich Krankenschwester war, hat es immer Pflegenotstand gegeben.“ Das zeigt, wie betoniert die Situation in der Pflege ist.

Ista: Ich glaube auch, dass sich nicht von heute auf morgen etwas ändern kann. Die Probleme, die zurzeit in Altenheimen und Krankenhäusern herrschen, werden wir nicht zügig aus dem Weg räumen können. Es war aber gut, Pflegekräften bewusst zu machen, dass wir etwas ändern müssen.

In der Debatte um die Situation der Pflegekräfte heißt es immer, die Politik müsse etwas ändern. Mit den Erfahrungen, die Sie gemacht haben: Hätten Sie eine Idee, wie die Situation besser werden würde?

Ista: Ich bin keine Politikerin. Die Misere in der Pflege hat bestimmt mehrere Gründe. Aber ich frage mich zum Beispiel: Warum ist die Situation in anderen Ländern weniger stark ausgeprägter als bei uns? Liegt das daran, dass wir so unheimlich viele Krankenhäuser haben? Geld ist für viele Pflegekräfte bestimmt auch ein Anreiz, um den Job länger zu machen. Im Grunde müssen wir unsere Patienten so versorgen können, dass wir mit einem guten Gefühl und einem guten Gewissen nach Hause gehen. Das muss gewährleistet sein.

Und das können Sie nicht?

Ista: Meistens wohl nicht.

Können Sie mir aus Ihrem Alltag Beispiele nennen, von denen Sie sagen: Da ist mit relativ wenig Aufwand viel zu verbessern?

Ista: Das finde ich ganz schwer zu beantworten, weil das auf meiner Station gut gelöst ist. Wir haben zum Beispiel Personal, das uns hilft, das Essen zu verteilen oder die Schränke wieder aufzufüllen. Das sind klitzekleine Dinge, die vielen den Alltag erleichtern würden. Aber das ist längst nicht gang und gäbe und in jedem Krankenhaus so.

Wie geht es für Sie jetzt weiter?

Ista: Ich würde mich gerne weiter für die Pflegekammer engagieren. Die könnte ein unheimlich wichtiger Schritt für uns sein, dass wir uns unter einem Dach zusammenschließen. Sonst haben wir keine Chance, unsere Anliegen mit der Politik zu kommunizieren. Die Kammer könnte für uns an der richtigen Stelle kommunizieren.

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