Behörden wussten vor der Familientragödie um Probleme
Kreis bedauert „Grenzen der Beratung“
Borghorst/Kreis S...
Eine Mutter tötet ihre drei Kinder mit Kohlenmonoxid, überlebt selbst nur knapp: Die Borghorster Familientragödie schockiert die Menschen bis heute. Jetzt wird bekannt: Die Behörden des Kreises Steinfurt wussten, dass es Probleme in der Familie gab. Schon in den drei Wochen vor der Verzweiflungstat der 39-Jährigen Frau am 5. Mai waren sowohl das Gesundheitsamt des Kreises Steinfurt als auch das Kreis-Jugendamt in einem „intensiven Beratungskontakt“ mit der Familie.
Das bestätigte gestern die Sprecherin des Kreises Steinfurt, Kirsten Weßling, auf Anfrage. Am Vormittag des 14. April habe das Kreisgesundheitsamt den Anruf einer „Vertrauensperson der Familie“ erhalten, schilderte Weßling gestern die Chronik der Ereignisse. Wer genau die Person war, wollte sie aus Gründen des Datenschutzes nicht sagen. Die Person habe sich Sorgen um die 39-jährige Frau gemacht und dies auch so gegenüber der Behörde zum Ausdruck gebracht.
Die Frau befinde sich in einer „Krisensituation“ – offenbar ausgelöst durch den Gefängnisaufenthalt ihres Lebenspartners und Vaters der beiden jüngsten Kinder. Noch am Vormittag desselben Tages sei eine Sozialarbeiterin des Kreises zu der Familie nach Hause gefahren und habe, weil es den Hinweis auf die drei Kinder gegeben habe, einen Mitarbeiter des Kreis-Jugendamtes mitgenommen.
Dies, so Weßling, sei der erste Kontakt der beiden Behörden mit der Familie gewesen. Eine „Fall-Übernahme“ aus dem Kreis Wesel, wo die Familie bis zum November vergangenen Jahres gewohnt hatte, habe es nicht gegeben.
In den vergangenen drei Wochen vor der Tat habe es dann „mehrfach persönliche und telefonische Beratungskontakte“ der beiden Behörden mit der Familie gegeben. Dabei sei besprochen worden, wie der Familie geholfen werden könne. Auf Details wollte Weßling auch hier mit Hinweis auf den Datenschutz nicht näher eingehen. „Wir waren in den drei Wochen wirklich intensiv an der Familie dran“, sagte Weßling. Dennoch habe es „zu keinem Zeitpunkt die Notwendigkeit des Eingreifens gegen den Willen der Mutter“ gegeben. Es habe auch keinen Hinweis darauf gegeben, dass die drei Kinder möglicherweise gefährdet gewesen sein könnten.
Die Kinder seien nicht verwahrlost gewesen, das Zuhause habe einen guten Eindruck gemacht. Hätte es geringste Anzeichen für eine Gefährdung der Kinder gegeben, hätte man diese natürlich aus der Familie genommen oder die Frau in eine psychiatrische Klinik zwangseingewiesen.
Die Sozialarbeiterin des Kreises, die die Familie betreute, sei eine „hocherfahrene Fachkraft mit 30 Jahren Berufserfahrung“, die „schon alles gesehen“ habe. Natürlich sei sie, wie alle Mitarbeiter des Jugend- und des Gesundheitsamtes, jetzt „unglaublich schockiert“ und „extrem betroffen“. Offensichtlich gebe es aber, so Weßling, „Grenzen in der Beratung“ – „das ist ja das Furchtbare“. Obwohl die Mutter des Öfteren mit den beiden Behörden in Kontakt gewesen sei, sei eben nicht jede Katastrophe im Vorhinein erkennbar.
Auch in der natürlich behördenintern erfolgten Diskussion darüber, ob das Jugend- oder auch das Gesundheitsamt möglicherweise Fehler gemacht hätten, sei man zu dem Schluss gekommen, dass die Mitarbeiter sich nichts vorzuwerfen hätten, sagte Weßling. Insofern erübrige sich auch die Frage, ob aus dem Vorfall Konsequenzen für die künftige Arbeit zu ziehen seien.
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