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Werkverträge ab 2021 in der Fleischbranche verboten: Reaktionen auf die Kabinettsbeschlüsse

„Ein Meilenstein, ein ausgezeichneter Tag“

Kreis Coesfeld. Die Arbeitsbedingungen und Unterkünfte für die oft aus osteuropäischen Ländern stammenden Arbeiter in der Fleischindustrie standen seit den Infektionsausbrüchen in der Kritik. Besonders, dass Mitarbeiter über Subunternehmen beschäftigt und untergebracht werden. Auch für Westfleisch in Coesfeld sind mehrere Subunternehmen tätig. Doch damit soll nun bald Schluss sein, wie SPD-Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mitteilte. Das Bundeskabinett beschloss gestern schärfere Auflagen für die Fleischindustrie – Werkverträge sollen ab 2021 weitgehend nicht mehr möglich sein. Ein Thema, das seit langem debattiert wird. Eine Forderung, die die Gewerkschaften schon vor Jahren stellten. Die Kabinettsentscheidung erntete viel Beifall von hiesigen Politikern und Akteuren.

Viola ter Horst

In der Fleischbranche gibt es ab 2021 Verschärfungen. Werkverträge sollen dann nicht mehr möglich sein. Foto: az

„Ein ausgezeichneter Tag für die Arbeitnehmer und die Gewerkschaftsbewegung“, freut sich DGB-Kreisvorsitzender Ortwin Bickhove-Swiderski (Dülmen). Konkret für Coesfeld und Westfleisch bedeute dies, dass nunmehr 550 ordentliche und korrekte Arbeitsverträge ausgestellt werden müssen. „Der Arbeitsschutz muss weiter engmaschig kontrollieren und in begründeten Verdachtsfällen sofort mit einem Bußgeld tätig werden“, fordert Bickhove-Swiderski.

Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr bewertet es als „sehr positiv, dass Unternehmen stärker die Verantwortung für die Mitarbeiter übertragen wird, die für sie tätig sind“. Es sei bedenklich, wenn ein Großteil der Mitarbeiter über Subunternehmer beschäftigt werden. Schulze Pellengahr geht davon aus, dass auch für die Behörden klare gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, etwa für die Kontrollen von Unterkünften. Auch eine entsprechende personelle Ausstattung hält er für notwendig, wenn mehr geleistet werden soll.

Große Zustimmung auch bei der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) im Bistum Münster und Sozialpfarrer Peter Kossen aus Lengerich, der sich schon seit Jahren für Arbeitsmigranten einsetzt. Damit sich für die Arbeitnehmer die „miserable Situation“ nachhaltig ändert, müsse „durchgreifend kontrolliert werden“, so KAB-Diözesanpräses Michael Prinz. Sozialpfarrer Kossen weiß: „Der Kampf ist noch nicht zu Ende.“ Nun müsse die Politik die anderen Branchen, die vornehmlich mit Arbeitsmigranten und Subunternehmen arbeiten, schärfer in den Blick nehmen, fordert er.

Die SPD im Kreis Coesfeld begrüßt ausdrücklich den Beschluss des Bundeskabinetts, Werkverträge in der Fleischindustrie zu verbieten. Er sei ein Meilenstein. „Endlich wird den menschenunwürdigen Machenschaften der Fleischindustrie ein Riegel vorgeschoben“, sagt Landtagsabgeordneter André Stinka, Vorsitzender der SPD im Kreis Coesfeld. „Es ist an der Zeit, dass die Branche endlich ihrer Verantwortung gerecht wird.“

Als „unumgänglich“ bewertet CDU-Bundestagsabgeordneter Marc Henrichmann die weitgehende Abschaffung von Werkverträgen in der Fleischindustrie. „Mit freiwilligen Selbstverpflichtungen hat die Branche die Chance gehabt, für bessere Arbeits- und Unterbringungsbedingungen ihrer Werksarbeiter zu sorgen“, sagt er. Diese Chance sei nicht genutzt worden. „Dem Gesetzgeber bleibt gar nichts anderes übrig, als zum schärfsten Schwert eines Verbots zu greifen. Unsere Geduld mit der Fleischbranche ist vorbei.“

FDP-Landtagsabgeordneter Henning Höne sagt, dass er das Ziel der Bundesregierung teile, die Situation der Arbeitnehmer in der Fleischwirtschaft zu verbessern. „Ich habe aber Zweifel, ob der eingeschlagene Weg effektiv und effizient ist.“ Es gebe juristische Zweifel, ob das Verbot von Werkverträgen in einer einzelnen Branche rechtssicher durchzusetzen sei, gibt er zu bedenken.

Die Grünen begrüßen die Kabinettsbeschlüsse, warnen aber, dass die Erhöhung der Bußgelder nur seine Wirkung entfalten kann, wenn auch entsprechend mehr kontrolliert wird und die Behörden genügend Personal haben, sagt Anne-Monika Spallek, Sprecherin der Kreis-Grünen. „Auch im Kreis Coesfeld ist dies ein Schwachpunkt“, meint sie. „Seit Jahren weisen wir Grüne auf den Missstand hin und fordern mehr Personal.“ Auch andere Branchen müssten nun betrachtet werden, etwa Paketdienste.

Die Coesfelder Großschlachterei Westfleisch zeigt sich nicht abgeneigt, was Änderungen angeht. Carsten Schruck, geschäftsführender Vorstand von Westfleisch, meinte: „Den vorgelegten Beschluss werden wir zunächst hinreichend analysieren und bewerten, bevor wir uns hierzu äußern. Wichtig ist es, mit der Politik zu reden, Bedürfnisse auszutauschen und gangbare Lösungen zu diskutieren. Wir als Westfleisch engagieren uns dazu auf allen Ebenen proaktiv.“

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