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Christian Lindner beherrscht die Bierzelt-Rhetorik  – und beschwört in Coesfeld die neue Magenta-FDP

„Schwafel-Fasten statt Auto-Fasten“

Coesfeld. Schon mit einem frisch Gezapften kommt er in den Saal. Bierlaunig dann auch die Rede von Christian Lindner beim „Politischen Aschermittwoch“ des FDP-Bezirksverbandes Münsterland im Brauhaus Stephanus in Coesfeld. Vor einer für die „Freunde der Freiheit“ nicht alltäglichen Kulisse von über 180 Besuchern, von denen viele mit einem Stehplatz vorlieb nehmen müssen, zieht der FDP-Bundesvorsitzende und Hoffnungsträger deftig vom Leder. „St. Martin“ nennt der 38-Jährige im dunklen Anzug mit rotgemusterter Krawatte seinen Hoffnungsträger-Konkurrenten von der SPD. Er gönne ja den Sozialdemokraten den Aufschwung, so Lindner – „zehn Sitze mehr für die SPD und zehn weniger für die AfD, das ist nicht schlecht, sondern gut für unser Land.“ Aber: Schulz tue jetzt mit seinem Gerechtigkeitsthema so, als habe die SPD nicht „von 19 Jahren 15 mitregiert“. Er wirft ihm „Heuchelei“ vor, während er auf der kleinen Bühne zwischen bunten Würfeln mit dem neuen Magenta-Logo der FDP hin- und hertänzelt.

Detlef Scherle

Mit über 180 Besuchern – darunter auch prominente CDU- und Grünen-Gesichter – ist der Brauhaus-Saal beim launigen Auftritt des FDP-Chefs gut gefüllt. Foto: Detlef Scherle

Rethorisch hat er’s drauf. Und schlagfertig ist er. Das wird schon in den ersten Minuten deutlich. Von 40 % befristeten Arbeitsverhältnissen habe Schulz gesprochen. Es seien aber nur ... „17 %“ ruft einer aus dem Saal dazwischen. „Richtig.“ Lindner lächelt. „Ihr Pointenklauer!“ schimpft er. Das Stimmungsbarometer im Saal steigt. Dass die FDP jetzt runderneuert daherkommt, ist nicht nur an den magenta-blau-gelben Würfeln zu erkennen. „Wir sind zu 110 % motiviert. Wir sind bereit“, hatte zuvor schon der Coesfelder Kreisvorsitzende Henning Höne versichert. Lindner sagt, was anders geworden ist: Die Union habe die FDP in Sachen Steuersenkung „am ausgestreckten Arm verhungern lassen“, erinnert er ans letzte Mitregieren: „Das passiert uns in meinem politischen Leben kein zweites Mal.“ Seine Augen blitzen. Die alte Wunde, sie schmerzt noch. Der Blick streift durch die Zuschauerreihen, wo mit dem Landtags-Kollegen Werner Jostmeier und Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr auch zwei CDU-Vertreter sitzen.

Steuern senken – das will die FDP weiterhin. Schon allein der Haushaltsüberschuss des Bundes würde reichen, um den „Soli“ für alle Einkommen unter 50 000 Euro wegfallen zu lassen. Großer Beifall brandet auf – selbst bei den CDU-Vertretern. Lacher auch, als er politische Paralellen zu seinem Rosenmontags-Einsatz auf einem Karnevalswagen in Aachen zieht: „Kamelle verteilen wollen alle. Das ist die Methode große Koalition.“ Dabei gehe es doch um die Frage, „wovon wir morgen leben wollen“. Der grünen Idee vom „Auto-Fasten bis Ostern“ stellt er die des „Schwafelfastens“ gegenüber – „für manche wäre das eine reinigende Selbsterfahrung“.

Gegen Ideologie zieht er, wieder unterstützt von Beifall aus dem Saal, gleich mehrfach zu Felde – vor allem gegen die Schulpolitik von Rot-Grün in NRW: „Es werden mehr Kinder zurückgelassen als 2010, als die ins Amt gekommen sind.“

Noch ein Schluck Bier, dann muss er nach einer knappen Stunde weiter zum nächsten Termin. Nach Herne. Ein Appell an die Anwesenden muss aber noch sein: „In diesem Jahr ist politische Neutralität ein Luxus, den man sich nicht leisten kann.“

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