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Auf Suche nach wirksamem Trinkwasserschutz

Vordringen in die „Black Box“

Sassenberg

Auf dem Acker in Dackmar herrscht Spannung: Es wird in die Tiefe gebohrt. Nach einigen Metern erwarten die Experten eine wassergesättigte Schicht, an der die Beprobung endet. Entsprechend der Beprobung erhalten Landwirte auf Basis der Ergebnisse unter anderem Dünge- und Anbauempfehlungen, um Nitrat im Boden, aber auch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren.

Ulrike von Brevern

Der Sand ist gefunden im Rahmen der Bohrungen. Foto: Ulrike von Brevern

Der Göttinger Thomas Rauschen sucht auf dem Acker in Dackmar, den er mittels GPS aufgefunden hat, nach einem passenden Bohrpunkt. Möglichst hoch soll er liegen, aber auch dicht am Rand, damit die eingesäte Frucht nicht zu viel Schaden nimmt. „Das ist Eschboden hier, reine Kulturlandschaft“, weiß der Geograf und Bodenkundler sofort, als er den Blick über den sanften Hügel schweifen lässt. Dann holt er Stück für Stück das Bohrgerät aus dem Transporter.

Rauschen ist auf Tiefbeprobungen spezialisiert. Mit seiner Ausstattung könnte er die Proben-Sonde bis in zwölf Meter Tiefe treiben und hydraulisch wieder herausziehen lassen. Doch hier in Dackmar bleibt ein Teil des dafür nötigen Geräts gleich im Fahrzeug. Schon nach rund vier Metern stoße er hier voraussichtlich auf die wassergesättigte Schicht, an der die Beprobung endet, vermutet Rauschen.

Die Wasserkooperation, ein freiwilliger Zusammenschluss von Landwirten und Wasserversorgern, hat die Bohrung in Auftrag gegeben. Wie so oft geht es auch bei dieser Untersuchung am Ende um die Belastung des Grund- und Trinkwassers mit Nitrat. Allerdings in ungewöhnlicher Perspektive: Die Beprobung dringt in Tiefen vor, über die üblicherweise wenig konkret bekannt ist. Das Trinkwassergewinnungsgebiet in Vohren und Dackmar gilt in diesem Punkt als Mustergebiet.

Oberboden ist genau bekannt

„Den Oberboden kennen wir sehr genau“, erklärt Andreas Große Perdekamp, Gewässerschutzbeauftragter der Wasserkooperation und bei der Landwirtschaftskammer beschäftigt. Bis in etwa einen Meter Tiefe werden Äcker und Wiesen in der Kooperation regelmäßig beprobt. Landwirte erhalten auf Basis der Ergebnisse unter anderem Dünge- und Anbauempfehlungen, um Nitrat im Boden, aber auch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Zudem hat die Wasserkooperation diese Schicht bereits zwei Mal umfassend auf Grundnährstoffe wie Phosphor und Kalium analysieren lassen.

Direkt im Wasser misst der Wasserversorger selbst, in diesem Fall die Wasserversorgung Beckum (WVB). In Vohren und Dackmar sei der Nitratgehalt dabei in den vergangenen Jahren leicht gefallen, berichtet Markus Linnemann, Wasserqualitätsbeauftragter der WVB. „Der Trend geht nach unten, das zeigt: Die Wasserkooperation hat schon viel bewirkt. Aber wir sind noch lange nicht am Ziel“, zieht er ein Resümee.

Wie weit Ziel und Wirklichkeit voneinander entfernt liegen, entscheidet sich auch in der Zone zwischen Oberboden und Grundwasserschicht. „Das ist die Black Box der Wasserversorger“, schmunzelt Rauschen. Er hat zunächst eine einen Meter lange Sonde in den Boden getrieben. Jetzt liegt sie auf dem mobilen Probentisch. Deutlich erkennbar geht die dunkle Ackerkrume schnell in hellen Sand über. Rauschen reibt eine Probe zwischen Daumen und Zeigefinger, um Korngröße und Bodenart näher zu bestimmen. „Schluffiger Sand“, brummt er. Als er mit der Probe fertig ist, bereitet er den nächsten Bohrgang mit einer drei Meter langen Sonde vor.

Bodengefüge in der „Black Box“

Das Bodengefüge in der „Blackbox“ hat ein vergleichsweise langes Gedächtnis. Bis zu dreißig Jahre braucht Wasser in Dackmar, bis es vom Rand des Trinkwassergewinnungsgebietes bis zu den Trinkwasserbrunnen an der Ems gelangt, berichtet Große Perdekamp. Der Boden hat im günstigen Fall die Möglichkeit, während dieser Zeit etwa durch einen natürlichen Eisenpuffer zum Nitratabbau beizutragen. In Vohren wird ein großes Potential vermutet, in Dackmar hingegen ein eher kleines. Wie stark und wie lange es wirkt ist eine Unbekannte.

Die Experten bohren in die Tiefe. Foto: Ulrike von Brevern

Die Tiefbeprobung wird in der Musterregion im Abstand von vier Jahren bereits zum dritten Mal durchgeführt. Die Basis wuchs dabei in der jüngsten Untersuchung noch einmal von 20 auf jetzt 29 beteiligte Landwirte. Die Analyse der Bodenproben, die Rauschen aus der Tiefe hervorgezogen hat, könnte einerseits helfen, eine genauere Antwort auf die Frage zu finden, was in den nächsten Jahren in punkto Nitrat tatsächlich auf den Wasserversorger zukommt. Zum anderen helfen sie innerhalb der Wasserkooperation zu ermitteln, ob die bisherigen Maßnahmen packen. Schließlich stecken die Wasserversorger nicht nur Geld in die Beratung, sondern auch in Ausgleichszahlungen an Landwirte, die freiwillig die Düngung reduzieren und dafür Ertragseinbußen hinnehmen müssen.

Je eine Probe pro 50 Zentimeter Bodentiefe schält Rauschen nach jedem Bohrgang mit seinem Messer sauber aus der Probesonde in eine Plastiktüte. Diese beschriftet er sauber mit Schlagbezeichnung und Bodentiefe und dann geht sie gut gekühlt ab Richtung Analyselabor.

Beprobt hat Rauschen die Dackmarer Flur bereits im Herbst. Die Studie mit den Ergebnissen sollte ursprünglich bereits vorliegen. Coronabedingt wurde die Veröffentlichung allerdings verschoben. Möglicherweise geschieht dies nun erst im September, hieß es bei der Wasserkooperation.

Wasserkooperation

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