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Großes Interesse - aber keine Flächen

Tiny-Haus-Interessenten gucken in die Röhre

Münsterland

Den Traum vom eigenen Haus, den träumen Tiny-House-Interessenten im Münsterland bislang nur in der Theorie. Denn in der Praxis weisen die Gemeinden bislang keinerlei Stellflächen für Minihäuser aus. Lediglich im Ferienhauspark am Franz-Felix-See in Greven dürfen Minihaus-Begeisterte Wurzeln schlagen - allerdings mit Einschränkungen.

Anne Koslowski

Im Ferienhauspark am Franz-Felix-See stehen sowohl Mobilhäuser (Foto) zum Verkauf als auch freie Grundstücke für Tiny-Häuser zur Verpachtung bereit. Im Unterschied zu Tiny Houses sind Mobilhäuser nicht wie Anhänger auf der Straße fahrbar, sondern werden mit Hilfe von Lkw angeliefert und auf einen Unterbau aufgepflockt. Foto: Anne Koslowski

Ein klassisches Eigenheim konnte sich Heike Bönninghausen nie vorstellen. „Ich wollte nie Eigentum besitzen und mich festlegen.“ Schon oft in ihrem Leben sei die Krankenschwester aus Münster umgezogen, habe lange im Ausland und in Wohngemeinschaften gelebt. Flexibel wolle die 53-Jährige bleiben, „es überschaubar haben und mich nicht um eine Immobilie kümmern müssen“.

Schon ihre 60-Quadratmeter-Wohnung mit drei Zimmern finde sie zu groß für sich alleine. Aber etwas Kleineres, Bezahlbares finde sie nicht. Die steigenden Mieten machten ihr Sorgen. „Mit dem Gehalt einer Krankenschwester kann ich mir bald keine Wohnung mehr in Münster leisten“, glaubt sie. Da sei ein auf das Nötigste reduziertes, altersgerechtes Minihaus, das sich überall mit hinnehmen lässt, genau das Richtige. „Als ich die Tiny Houses entdeckt habe, wusste ich: Das ist es.“

Interessensgruppe in Münster reicht Konzept ein

Sie gründete 2017 die Interessensgruppe „Lütthuus“. Zwischen vier und 20 Personen treffen sich seither regelmäßig. Ein Konzept für eine Siedlung ist bei der Stadt Münster eingereicht, wie diese bestätigt. Allerdings habe sich seitdem nicht viel getan. „Wir sind seit Ende 2017 nicht weitergekommen“, bedauert Heike Bönninghausen.

Die Verwaltung in Münster gibt sich offen gegenüber Tiny-Haus-Siedlungen. „Das ist durchaus interessant für uns. Ich sehe kein Problem, das man nicht lösen kann“, sagt Gabriele Regenitter, Leiterin des Amtes für Wohnungswesen der Stadt Münster. Tiny-Haus-Siedlungen aber seien, anders als andere gemeinschaftliche Bauprojekte, Neuland für die Verwaltung. Daher sammele Regenitter zurzeit erst einmal Fragen, die sie den Tiny-Haus-Interessensgruppen stellen wolle, um herauszufinden, welche Ansprüche diese an ein Grundstück stellen. „Je nachdem, was die Gruppe braucht, entwickeln wir Bauland.“

Heike Bönninghausen würde indes „lieber heute als morgen ein Tiny-Haus in Auftrag geben“. Doch ohne Grundstück ein Wagnis. „Selbst wenn wir uns ein Baugrundstück kaufen würden, müsste erst noch eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden.“ Tiny Houses sind bisher nirgendwo in den Bebauungsplänen der Gemeinden im Münsterland vorgesehen und damit nicht genehmigungsfähig.

Dietmar Durchholz (links) und sein Freund Kalle Niederberghaus haben zwar ein Minihaus, aber kein passendes Grundstück. Am liebsten wäre ihnen eine Fläche in Warendorf. In Zukunft wollen sie sich von Mietausgaben, Pacht und der Wohnraumkrise unabhängig machen. Foto: Anne Koslowski

Ein Häuschen ohne Grundstück

Einen, wenn auch nur kleinen, Schritt weiter ist Dietmar Durchholz. Der Geschäftsführer des Overhage-Stahlhandel in Greven hat sein Tiny Haus schon gebaut. Aus dem Hamburger Hafen haben er und sein Kumpel Kalle Niederberghaus „auf blauen Dunst“ zwei alte Kühlcontainer bestellt und in fünf Monaten zu einem „Modulhaus“, wie sie es nennen, zusammengebaut. Auf 30 über Eck angelegten Quadratmetern befinden sich ein Schlafzimmer, ein Bad, eine Küche und ein Wohnzimmer. Voll eingerichtet und fertig zur Nutzung. Einziges Problem: Auch ihnen fehlt ein Grundstück.

Dietmar Durchholz

„Wir haben mit sehr vielen Leuten gesprochen, aber es passiert einfach nichts“, sagt Dietmar Durchholz. Er ist überzeugt, Wohnen auf kleinem Raum ist angesichts „exorbitanter Grundstückspreise das Gebot der Stunde“. Kommunen müssten dem Rechnung tragen. Dietmar Durchholz und sein Freund Kalle Niederberghaus machen sich wie die Münsteranerin Heike Bönninghausen Sorgen um steigende Kosten im Alter. Beide wohnen zur Miete in Warendorf und Greven. Mit einem eigenen Grundstück und einem kleinen, altersgerechten und kostengünstigen Häuschen wollen sie sich unabhängig machen von Vermietern, Verpächtern und „der Wohnraumkrise“, sagt Durchholz.

Erste Ergebnisse in Warendorf Anfang 2020

Unterdessen prüft die Stadt Warendorf seit Anfang des Jahres einen Antrag der Freien Wähler, geeignete Grundstücke für Tiny-Häuser auszuweisen. „Wir hoffen, dass wir der Politik erste Ergebnisse Anfang 2020 vorstellen können“, sagt die Leiterin des Stadtplanungsteams, Pascale Kaell. Wenn dann ein positiver Beschluss gefasst würde, müssten sich die Tiny-Haus-Freunde weitere zwei bis drei Jahre gedulden, bis die Flächen erschlossen zur Verfügung stünden, sagt die Architektin. „Ich bin aber zuversichtlich, dass wir etwas finden, wenn es politisch gewollt ist.“

Anita Köster und ihr Lebensgefährte Martin Snjka haben im Ferienhauspark Franz-Felix-See in Greven ein Grundstück gepachtet, auf dem ihr selbstgebautes Tiny-Haus steht. Eigentlich wollten sie kaufen, doch das hat nicht geklappt. Foto: Anne Koslowski

20 freie Flächen, aber nur ein Tiny-Haus

Während andere noch suchen, haben sich Anita Köster und ihr Lebensgefährte Martin Snjka ihren Traum bereits erfüllt. Sie haben im Sommer dieses Jahres eines von 20 freien Grundstücken im Ferienhauspark Franz-Felix-See in Greven mit einem Tiny-Haus auf Rädern und einem stationären Wohncontainer bezogen. Sie nehmen dafür in Kauf, weder innenstadtnah zu wohnen und damit auf ein Auto angewiesen zu sein, noch das Grundstück zu besitzen. Stattdessen zahlen sie für 330 Quadratmeter Grünfläche eine jährliche Pacht in Höhe von rund 2000 Euro plus Nebenkosten.

Ein Kompromiss. „Das mit der Pacht kam für uns erst nicht infrage“, erzählt Anita Köster. Sie wollten gerne ein Grundstück kaufen. „Aber die Kommunen waren da nicht so offen.“ Nach einem Jahr der ergebnislosen Suche entschieden sich die beiden Münsteraner dann doch für ein Pachtgrundstück - und sind damit bisher die einzigen Tiny-Haus-Siedler am Franz-Felix-See.

Ferienhauspark-Verwalter Robert Heilemann

Ferienhauspark-Verwalter Robert Heilemann weiß, warum sich die Nachfrage in Grenzen hält: „Die Ansprüche sind sehr hoch.“ Interessenten von Minihäusern wollten in der Regel nachhaltig und ortsnah leben, so dass sie zu Fuß oder mit dem Rad alles erreichen könnten. Der Ferienhauspark Franz-Felix-See aber liegt acht Kilometer beziehungsweise 30 Fahrradminuten von Grevens Innenstadt entfernt. Zudem dürfen Pächter nicht ganzjährig dort wohnen. „Für ganz konsequente Tiny-House-Interessenten ist das Thema erledigt, sobald sie hier keinen Erstwohnsitz anmelden können“, berichtet Heilemann. „Sie suchen ja eine Wohn- und keine Ferienhausalternative.“

Robert Heilemann, Verwalter des Ferienhausparkes am Franz-Felix-See in Greven, steht vor einem der verkäuflichen Mobilhäuser. Interessenten können aber auch ihre eigenen Häuser mitbringen. Foto: Anne Koslowski

Der Stand in anderen Kommunen

Ahaus: Ahaus ist wohl am weitesten von allen Gemeinden im Münsterland. „Wir sind dabei, planerisch eine Fläche für Tiny Houses in einem neu geplanten Einfamilienhausgebiet vorzusehen“, sagt der Leiter der Stadtplanung, Walter Fleige. Im Frühjahr kommenden Jahres werde das Konzept den politischen Gremien vorgestellt. „Es gibt eine Menge Interessenten, aber wir gehen erstmal mit einer kleineren Fläche an den Start, um den Rücklauf abzuwarten.“ Erst dann zeige sich der echte Bedarf. Flächen seien begrenzt und es gebe viele junge Familien, die ebenfalls bauen wollten. Welche Gruppe daher eher berücksichtigt werde, „ist eine politische Entscheidung“, so Walter Fleige.

Coesfeld: Der Rat der Stadt hat Ende September beschlossen, dass die Stadtplaner Kontakt zu den Interessenten für Tiny-Häuser aufnehmen sollen, um zu klären, was die Anforderungen an Grundstücke sind. Das Ergebnis berichtet Ludger Schmitz, Leiter der Stadtplanung, anschließend wieder dem Rat und macht „gegebenenfalls einen Vorschlag, dass man sich ernsthaft bemühen sollte, ein Grundstück zu finden“. Einfach werde das aber nicht. „Wir haben nicht mal eben freie Grundstücke, die nicht genutzt werden. Dafür ist der Wohnungsdruck in Coesfeld zu groß.“

Kreis Steinfurt: Nach eigener Auskunft gibt es im Kreis Steinfurt weder Tiny Houses noch liegen Anfragen dazu im Bauamt vor. "Natürlich gibt es im Kreis Steinfurt aber vergleichbare Objekte wie Notunterkünfte der Nachkriegszeit, kleinere Wohngebäude, Wochenend- und Ferienhäuser (die ganzjährig genutzt werden) sowie Wohnwagen und Wohnmobile (auch hier gibt es vereinzelt ganzjährige Nutzungen)", sagt Jan Schlieper, Pressesprecher bei der Kreisverwaltung. Auch der Stadt Greven liegen bislang keine Anfragen für Flächen speziell für Tiny Houses vor, sagte Sprecher Wolfgang Jung gegenüber unserer Zeitung. Nicht wohnen aber wohl zur Probe Urlaub machen können Interessierte in einem Tiny-Haus auf dem Naturcamping-Hof Könninck in Burgsteinfurt.

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