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Leichtathletik: Gary Kapluggin trainiert den Billerbecker Nachwuchs / Comeback auf der Laufbahn

Der Marathon-Mann aus Neuseeland

Billerbeck. An Weihnachten wird er sich wieder vor den PC setzen und skypen. „Mit meiner Mutter“, erklärt Gary Kapluggin (53), „und das kann dauern.“ Beide haben sich immer viel zu erzählen. „Sie wohnt in Hamilton“, verrät der Mann aus Neuseeland, der in Billerbeck, wo er die jungen Leichtathleten trainiert, eine zweite Heimat gefunden hat, „Hamilton ist meilenweit weg.“ Knapp 19 000 Kilometer oder über 30 Stunden Flugzeit trennen die beiden Städte.

Ulrich Hörnemann

Die alte Urkunde mit seiner Marathon-Bestzeit (2:26 Stunden) hat Gary Kapluggin bei seiner Mutter in Neuseeland deponiert. Dafür hat er noch jene vom Oktober 1987, als er 2:30:40 Stunden in der Main-Metropole Frankfurt gelaufen ist. Foto: az

Gary Kapluggin war 23, als er Hamilton verlassen hat. „Ich wollte Urlaub machen in Deutschland“, erinnert sich Kapluggin, „meine ‚Ma’ stammt gebürtig aus Steinfurt, ist dann nach Neuseeland gezogen, hat geheiratet und lebt dort immer noch.“ Mit Jase Perano, „a good guy“, ein guter Kumpel, ist er dann nach Steinfurt gekommen, hat Bekannte seiner Mutter besucht und ist dort hängen geblieben.

Der „Kiwi“, so sein Spitzname, frönte seinem Hobby und mischte im Münsterland die Läuferszene auf. „Schon in Neuseeland bin ich viel gelaufen“, schaut er auf die Anfänge seiner Karriere, „ich hatte auch einen ganz berühmten Coach: Arthur Lydiard.“ Der Altmeister, der als Erfinder des langen Ausdauertrainings gilt, führte Peter Snell, einen der größten Mittelstreckler aller Zeiten, 1960 in Tokio und 1964 in Rom zu drei Olympiasiegen über 800 Meter und 1500 Meter. Murray Halberg, noch ein Lydiard-Schüler, holte 1960 Gold über 5000 Meter. Zu seinen Schützlingen zählten auch John Walker, 1976 in Montreal Olympiasieger über 1500 Meter, Rod Dixon, 1983 Erster beim New York-Marathon, und Dick Quax, Ex-Weltrekordler über 5000 Meter, der wie Kapluggin in Hamilton aufgewachsen ist.

In den Achtzigern eilte Kapluggin in „good old germany“ von Erfolg zu Erfolg. „Damals lief ich für TB Burgsteinfurt“, blickt er zurück, „ich habe alles mitgenommen: 5000 Meter, 10000 Meter, Marathon.“ Seine Bestleistungen auf der Bahn sind erste Sahne: 14:32 Minuten über 5000 Meter und 29:52 Minuten über 10000 Meter. „Diese Zeit hab’ ich noch in Neuseeland aufgestellt.“ Sie ist nur zwölf Sekunden langsamer als der Streckenrekord (29:42 Minuten) beim Coesfelder Citylauf.

In Frankfurt, dem ältesten City-Marathon Deutschlands, gelang ihm mit 2:26 Stunden eine Super-Zeit. „1988 muss das gewesen sein“, rätselt Kapluggin, „so genau weiß ich das auch nicht mehr.“ 20 Rennen über die klassische Distanz (42,195 Kilometer) hat er in den Beinen, das erste in Rotorua, einem Kurort auf der neuseeländischen Nordinsel. „Auf den letzten zehn Kilometern hatte ich einen Filmriss“, lacht er, „ich war so kaputt, dass ich nicht mehr sagen kann, wie ich überhaupt angekommen bin.“ Obwohl fix und fertig, blieb er  auf  Anhieb  „unter  drei“: 2 Stunden und 53 Minuten.

1989 wurde er bei den Deutschen 25-km-Meisterschaften in Maximiliansau Gesamt-26. in 1:20:36 Stunden. Lang, lang ist es her! „Damals wog ich 64 Kilo.“ Er lächelt und deutet auf ein Bäuchlein, das sich unter seiner roten Trainingsjacke spannt. „Heute hab’ ich ein bisschen über 80 Kilo. Eindeutig zu viel!“ Bei einer Körpergröße von 1,75 Meter hat sich Gary Kapluggin ein festes Ziel vorgenommen: „Auf 74 Kilo will ich runter.“ Denn er feilt an seinem Comeback. „2016 werde ich mich langsam wieder aufbauen. Und 2017 geht’s volles Pfund zur Sache.“ Dann steigt der 53-jährige Dauer(b)renner in die Altersklasse M 55 auf. Und dann möchte er an den Deutschen Senioren-Meisterschaften teilnehmen. Sei es im Gelände, auf der Straße oder im Stadion. „Wenn alles gut läuft, trau’ ich mir eine 10000-Meter-Zeit von 36:30 zu.“ Verdammt flott! Damit wäre er in Westfalen und bundesweit vorn dabei.

Der Wahl-Billerbecker, der seit nunmehr 22 Jahren als Englisch-Dozent bei der GAD in Münster, dem Rechenzentrum der Volksbanken, tätig ist, fühlt sich in den Baumbergen pudelwohl. „Im September sind wir von Nottuln nach Billerbeck gezogen.“ Agnieszka, seine polnische Freundin, suchte eine Doppelhaushälfte mit Garten. „Genau das haben wir gefunden.“ Sie wohnen jetzt in der Münsterstraße. „Direkt neben der Praxis von Emil Kamenica“, erzählt Kapluggin, „bei Emil trainiere ich im Kraftraum.“ Damit er fit bleibt und gelenkig für seine Wiederkehr auf der Laufpiste.

In seiner Freizeit kümmert sich Gary Kapluggin mit wachsender Begeisterung um die Leichtathleten vom VfL Billerbeck. „Wir haben richtig tolle Talente, die mit riesigem Ehrgeiz bei der Sache sind“, freut er sich über das Engagement seiner Schützlinge, „wegen der häufigen Trainerwechsel wollten viele aufhören oder nach Coesfeld abwandern.“ Doch Kapluggin leistete so gute Überzeugungsarbeit, dass sie geblieben sind.

Die Gruppe besteht aus 20 Mädchen und drei Jungs im Alter von elf bis 18 Jahren. „Drei Mal die Woche wird trainiert: montags, mittwochs und samstags.“ Im Sommer auf der abgenutzten Kunststoffbahn, die 2016 einen niet- und nagelneuen Belag erhalten soll, im Winter in der Halle der Hauptschule. Und an den Samstagen, morgens früh um Acht, treffen sie sich am Helker Berg, um Kraft und Kondition zu bolzen. Auch an den Festtagen ist keine Ruhe angesagt. „Wir machen keine Pause. Warum?“, meint er. „Auch in den nächsten Tagen wird fleißig trainiert.“

Die Bräuche in Deutschland sind ihm bekannt, „in Neuseeland tragen die Weihnachtsmänner auch einen irre langen Bart. Mit einem Unterschied: Sie schwitzen tierisch unterm Mantel. Weil es da sehr heiß ist: deutlich über 20 Grad, manchmal sogar bis 30 Grad.“ Wenn hier im Münsterland die Gans oder der Truthahn im Backofen gebraten werden, bruzzelt in Hamilton das Steak draußen auf dem Grill.

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