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Fußball: Die Ukrainer Dmytro Petkevych und Denys Markin sind bei Turo voll integriert

Kickend in ein neues Leben

Darfeld

Spontan zwischen den Sprachen wechseln, das gehört für Christoph Klaas längst zum sportlichen Alltag. „Dyma, come on!“, schallt die Anfeuerung über den Platz. „Dyma“, das ist Dmytro Petkevych, nicht nur der jüngste Kicker in seinem Kader, sondern auch einer mit einer besonderen Geschichte. Einer, für den sich alles um Fußball dreht, aber für den der Ball in der Ukraine nicht mehr rollte – und viel schlimmer: wo er jeden Tag um sein Leben fürchten musste. Deshalb ist er dankbar, ebenso wie Denys Markin in doppelter Hinsicht eine neue Heimat gefunden zu haben. Als Geflüchteter in Rosendahl, als Kicker bei Turo Darfeld.

Von Frank Wittenberg

Sie stehen zusammen: Denys Markin und Dmytro Petkevych (vorne von links) freuen sich bei Turo Darfeld über die Unterstützung von (hinten von links) Trainer Christoph Klaas, Jan-Simon Wilmer, Torwarttrainer Sven Knapp, Mats Wittenberg, Steffen Lausemann, Co-Trainer Simon Lovermann, Florian Feitscher, Timo Spickenbaum, Marius Röttgering, Hendrik Heßing; unten von links: Simon Gövert, Ionut-Marian Sarbu, Phil Albring, Hendrik Banker, Jonas Klostermann, Simon Albers; es fehlen: Johannes Gövert, Felix Gövert, Timo Feitscher, Hauke Herich, Matthias Arning, Lukas Bücker.

Rückblende: März 2022, seit einigen Wochen tobt der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Dmytro Petkevych lebt mit seiner Familie in der Nähe der Hauptstadt Kiew, nicht direkt im Brennpunkt, aber nah genug, um den Horror hautnah zu erleben. „An einem Tag kam ich aus dem Haus und habe direkt einen Bombeneinschlag gesehen“, erzählt der 18-Jährige. Für ihn und seine Familie der endgültige Anstoß, die geliebte Heimat hinter sich zu lassen. Über Rumänien, Ungarn und Polen kommen sie nach Deutschland, erhalten in Darfeld eine neue Bleibe.

Noch dramatischer erlebt Denys Markin den Krieg. Denn er kommt aus Mariupol, der Hafenstadt, die massive Zerstörungen erlitten hat. „Überall Schüsse und Angriffe“, schüttelt er den Kopf. „Es gab keine Chance, rauszugehen. Und keine Informationen. Überall starben Menschen.“ Wochenlang harrt er aus, dann eröffnet sich die Chance, mit seinen Eltern und Nachbarn in einem Bulli die Stadt zu verlassen. Zunächst ausgerechnet nach Russland. „Das war der einzige Weg für uns heraus aus Mariupol“, erklärt der 41-Jährige. In Jekaterinenburg lebt er einen Monat bei der Schwester seiner Mutter, dann geht es Anfang Juni mit dem Schiff von Lettland nach Travemünde. In Bochum wird er registriert, eine Woche in einem Camp in Dorsten untergebracht, kommt anschließend nach Osterwick.

Die beiden Ukrainer lernen sich kennen, stellen ihre gemeinsame Liebe zum Fußball fest. Also gehen sie an einem Abend zum Sportplatz in Darfeld, treffen auf die Turo-Altherren und auf Alex Vollmer, der sie gleich zum Training einlädt und den Kontakt zu Christoph Klaas vermittelt. „Wir haben da eine tolle Mannschaft gefunden“, schwärmt Markin über das Team des A-Ligisten. „Und einen Verein mit 100 Jahren Geschichte.“

Trotz der Sprachbarriere zeigt sich: Sport verbindet und schafft Integration. „Vom ersten Training an hat das super geklappt“, schwärmt Christoph Klaas und richtet zugleich ein dickes Kompliment an seinen Kader: „Das ist grundsätzlich eine sehr pflegeleichte Mannschaft.“ Im menschlichen Umgang miteinander vorbildlich, was den Start für die beiden Neuen erheblich erleichtert. „Am Ende der ersten Trainingswoche ging es gleich zusammen mit Dyma und Denis in die Skala“, grinst der Trainer.

Der Fußball als Anker für den Start in ein neues Leben, hier funktioniert es hervorragend. Denys Markin ist dankbar, dass er mit seinen 41 Jahren mitmischen darf. Und Dmytro Petkevych, der von der linken Seite über das Zentrum bis zum Sturm alles beackern kann, gehört die Zukunft, zeigt sich Christoph Klaas überzeugt. A-Jugend könnte er noch spielen, ist aber längst fester Bestandteil des Turo-Teams. „Er hat das Zeug, weitere Schritte zu machen“, sagt der Trainer über den 18-Jährigen, der in Saporischschja in einem Leistungszentrum gespielt hat. „Wir wollen ihn weiter fördern und unterstützen.“

Was die Zukunft bringt, muss sich zeigen. „Ich möchte hier arbeiten und Fußball spielen“, sagt „Dyma“, während Denys Markin schon einen Schritt weiter ist. Er hat bei C-TEC Elektrotechnik in Coesfeld einen Job gefunden, kann dort in seinem erlernten Beruf tätig sein. Ob er eines Tages in seine Heimat zurückkehren kann? „Schwierig“, zuckt er mit den Schultern, denn aktuell ist Mariupol komplett von Russland eingenommen. „Vielleicht ist es in einigen Jahren wieder möglich.“

Bis dahin drückt er aus der Ferne seinem Lieblingsclub Schachtar Donezk die Daumen, hält es in Deutschland mit dem BVB, wo sie schon im Stadion waren. Und sie wollen an ihren Sprachkenntnissen feilen. „Deutsch ist richtig schwer“, gibt „Dyma“ Petkevych zu. Deshalb tönen die Anfeuerungen auf Englisch durch das Turo-Stadion – und bei taktischen Anweisungen übernimmt Johannes Gövert gerne die Doppelfunktion als Kapitän und Dolmetscher.

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